Auf die vielen Fragen von Eltern und anderen Erziehern, wie sie mit Wut, Zorn und anderen aggressiven Handlungen von Kindern und Jugendlichen umgehen sollen, gibt es keine eindeutigen Antworten. Zunächst ist wichtig, den Hintergrund des aggressiven Verhaltens zu suchen und zu erkennen. Darauf werde ich in mehreren Beiträgen eingehen.
Als die Eltern des 15-jährigen Joe von ihrer Arbeit nach Hause kamen, waren sie überrascht. Das Wohnzimmer war verwüstet, Stühle und Tische umgestoßen, das Sideboard leergeräumt, alles lag verteilt auf dem Boden und ihr Sohn war weg. Offenbar hatte er gewütet und war dann „abgehauen“, wie er es schon mal angedroht hatte.
Die Eltern fanden im Flur einen Brief der Schule, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass Joes Versetzung in die nächste Klasse gefährdet sei.
Was war dem vorangegangen? Joe stand unter gewaltigem Druck. Beide Eltern waren sehr leistungsorientiert und erfolgreich. Auch aus Joe sollte „etwas werden“. In der Schule gab es Druck, doch die Noten wurden immer schlechter. Innerlich war Joe sehr damit beschäftigt, eine Freundin zu finden und haderte mit sich und seinem Aussehen, dass ihm dies nicht gelang. Er zog sich zurück und machte sich auch hier großen Druck. Joe war, wie seine Lehrer und Lehrerinnen sagten, intelligent, aber er versagte bei Klassenarbeiten und Prüfungen. Dann war der Druck so groß, dass ihm nichts mehr gelang. Dieser Dauerdruck explodierte schließlich und führte zur Verwüstung des Wohnzimmers. Wie auch bei anderen Kindern oder Jugendlichen explodierte der Druck in Joe in Aggressivität. Joe kehrte schließlich nach einer Nacht und einem Tag in sein Elternhaus zurück. Er war völlig versteinert. Mit therapeutischer Hilfe gelang es, die Quellen seines Verhaltens herauszufinden, sodass er lernte, über seinen Druck zu reden und die in dem Druck festgefrorenen Gefühle zuzulassen. Gemeinsam mit den Eltern gelang es, erste Schritte zu unternehmen, den Druck zu verhindern.
Druck ist eine häufige Quelle, die zu Aggressionen führt. Deswegen sollten Eltern und andere Erziehende achtsam sein, den Druck auf Kinder und Jugendliche möglichst niedrig zu halten und nicht den sowieso schon vorhandenen Druck zu erhöhen. Kinder bemühen sich fast immer, den Eltern zu gefallen und ihren Wünschen zu entsprechen. Das macht Druck. Wenn dann noch Leistungserwartungen und anderer Druck hinzukommt, dann kann der Druck so unerträglich werden, dass er explodiert.