Eine Mutter schreibt: „Meine Tochter hat immer gern mit mir gekuschelt. Sie ist fünf Jahre alt. Seit einem Jahr ist sie im Kindergarten und jetzt will sie nicht mehr. Wenn ich sie in den Arm nehme, stößt sie mich weg. Das finde ich so schade. Was kann ich tun?“
Dass Sie das Verhalten Ihrer Tochter bedauern, ist verständlich. Mit Kindern zu kuscheln ist schön, für Kinder wie für die Erwachsenen. Doch es ist wichtig, dass Sie Verständnis für Ihre Tochter aufbringen. Ihre Tochter will nicht nichts mehr mit Ihnen zu tun haben – darum geht es für sie nicht. Für sie ist wichtig, dass sie selber entscheidet, welche Nähe sie wann und mit wem spüren möchte und welche nicht. Sie möchte selber ihre Wirksamkeit verstärken, wann sie kuschelt und wann nicht. Das ist wichtig für alle Kinder.
Das ist auch eine gute Vorbeugung gegen sexuelle Übergriffe anderer Menschen. Denn wenn ein Kind selber gelernt hat, dass es selbst entscheiden kann, von wem es wie berührt wird oder nicht, dann ist es auch wachsamer gegen entsprechende Annäherungsversuche und kann sich gegen Übergriffe deutlicher zur Wehr setzen als sonst. Die Selbstbestimmung der Kinder, was Nähe betrifft, ist also eine wichtige Entwicklungserfahrung.
Wenn Kinder selbst versuchen zu bestimmen, wie und welche Nähe sie wann brauchen oder zulassen, dann sind sie damit noch unbeholfen und unerfahren. Manchmal sogar zeitweilig maßlos. Sie probieren aus und lernen. Woher sollen sie es denn sonst auch wissen? Dass Ihre Tochter sie wegstößt, wird deswegen mit großer Wahrscheinlichkeit ein Übergangsphänomen sein, was sich nach einiger Zeit wieder legt, wenn Ihre Tochter sicherer geworden ist, dass sie selbst entscheiden kann, welche Nähe sie mit Ihnen leben kann.