„Darf ich als Mutter vor meiner Tochter weinen? Darf ich als Erzieherin den Kindern zeigen, dass ich traurig bin? Darf ich als Sozialarbeiterin offenbaren, dass ich Kummer habe, weil meine Liebe auseinandergegangen ist?“
Ja, Sie dürfen! Das ist meine Auffassung. Wenn Erwachsene ihre eigene Traurigkeit vor Kindern nicht zeigen, lernen Kinder, dass sie Trauer und Kummer nicht zeigen dürfen. Kinder lernen über Vorbilder!
Selbstverständlich geht es nicht darum, Kinder mit den eigenen schmerzlichen Gefühlen zu überschütten oder gar sie in Ehestreitigkeiten als Partei einzubeziehen. Selbstverständlich müssen Erwachsene nicht alles mitteilen, was sie bewegt. Aber es darf kein Trauer- oder Weinverbot geben. Die Tochter, die die Mutter weinen sieht, ist vielleicht erschrocken. Doch sie wird die Mutter zu trösten versuchen, wie die Mutter auch sie tröstet. Warum sollen Eltern und Kinder sich nicht gegenseitig trösten? Das verwischt nicht die unterschiedlichen Lebensverantwortlichkeiten, das ist ein gegenseitiges Zeigen und Austauschen von Gefühlen.
Wer als Erwachsener seinen Kummer ganz zu verbergen sucht, kann sicher sein, dass Kinder davon etwas mitbekommen. Sie merken es oder sie ahnen, dass „da etwas ist“, bekommen es aber „nicht zu greifen“. Kinder brauchen Klarheit, auch über Gefühle, die „im Raum schweben“.
Deswegen rate ich, mit Trauer und Kummer klar und offen umzugehen. Zeigen Sie Trauer, reden Sie darüber, teilen Sie das Leid. Sie sind damit Vorbild.