Die acht Wege in der Begleitung hochbelasteter Kinder

1. Den verborgenen Sinn verstehen

Jedes Verhalten dieser Kinder und Jugendlichen hat für sie ursprünglich einen Sinn, ist eine Notlösung für eine unerträgliche Situation gewesen. Die Geschichte dieser Kinder und damit ihr Verhalten, ihre Belastungen, ihre Not zu verstehen ist der erste Schritt der Hilfe. Nicht, um zu entschuldigen, sondern um Zugang zu finden. Dazu gehören u.a. die „vier Monster der Entwürdigung“, Modelle der akkumulierten Belastungen und der Traumatisierungen.

2. Rahmung 

Rahmung ist ein Prozess und mehr als „Grenzen“. Sie schließt Regeln ein, umfasst Sicherheit und Verlässlichkeit und ist vor allem eine Haltung, die den Kindern und Jugendlichen entgegengebracht wird.

3. Neue Beziehungserfahrungen 

Das Leid und die Not, die diese Kinder und Jugendlichen erfahren haben, sind aus Beziehungserfahrungen entstanden. Sie haben Gewalt, Leere und andere Verletzungen, destruktive Beziehungen erlebt. Sie brauchen andere Beziehungserfahrungen, vor allem Geduld, Wohlwollen und Klarheit. Sie brauchen Gegenüber mit „Ich-Sätzen“ wie „Ich will das nicht“, statt allgemeinen Sätzen wie: „Das darf man nicht.“

Dieser Weg der Hilfe ist schwierig, denn es gilt, Kindern, die meist beziehungsunfähig sind, Beziehungserfahrungen zu ermöglichen.

4. Tridentität, v.a. Spiegelungen

Das Tridentitätskonzept umfasst drei (tri) Aspekte der Identitätsentwicklung. Menschen brauchen andere, die nähren, die spiegeln, die ihnen Gegenüber sind, als sich respektvoll mit ihnen reiben. Die Kinder, die nicht verloren gehen dürfen, brauchen alle drei. Am meisten brauchen sie, wahrhaftig gespiegelt zu werden. Sie haben meist nur Zerrspiegel erfahren, sie kennen oft nur das Bild, das sie falsch sind. Sie brauchen ehrliche Spiegelungen, um ihre Identität zu entwickeln.

5. Ich-Aufbau

 Das Ich dieser Kinder und Jugendlichen ist gestört, erschüttert oder zerstört. Alles, was die Entscheidungsfähigkeit, das Selbstwertgefühl und ein verankertes, nicht bloß aufgesetztes Selbstbewusstsein stärkt, ist sinnvoll. Dafür gibt es mehrere Beispiele und Methoden.

Zum Ich-Aufbau gehört auch, das zu ermöglichen, was diesen Kindern und Jugendlichen meist verwehrt geblieben ist: lustvoll und ausgelassen zu spielen. Auch hier bedarf es besonderer Settings und Methoden.

6. Konstruktive Wirksamkeitserfahrungen 

Die Kinder haben meist erfahren, dass sie ins Leere gegangen sind mit ihren Wünschen und Bedürfnissen. Ihr Nein wurde genauso wenig gehört wie ihr Ja. Sie waren unwirksam. Die Folge sind meist destruktive Versuche, wirksam zu werden, durch „Stören“, Aggressivität usw. Sie brauchen konstruktive Wirksamkeitserfahrungen, durch Handwerken und kreatives Gestalten, durch Musik und Sport … Und vor allem dadurch, dass sie Erfahrungen der Beziehungswirksamkeit machen dürfen.

7.Das große UND

Diese Kinder und Jugendlichen brauchen Erfahrungen mit dem großen UND: „Das war großer Mist, was du getan hast, UND du darfst wiederkommen.“ „Ich dulde das nicht UND ich mag dich!“ … Widersprüche auszuhalten ist für alle Beteiligten schwierig – und hilft.

8. Selbstfürsorge der Begleiter/innen

Wer mit der Aggressivität dieser Kinder konfrontiert wird, spürt alle eigenen Aggressivitätserfahrungen. Wer ihrer ungelebten Sehnsucht begegnet, bei dem klopft auch die eigene Sehnsucht an. Mit diesen Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, schafft Resonanzen und „Zwischenleiblichkeit“. Wird diese bewusst, kann dies nicht nur vor Burnout schützen, sondern sogar zu einer Kraft der Begegnung werden. Diese Kinder brauchen keine Checklisten und Manuale, sie brauchen lebendigen Kontakt und wahrhaftige Begegnungen. Und dafür brauchen die Begleiter/innen Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge.