Warum-Fragen der Eltern und Warum-Fragen der Kinder

Vor einiger Zeit habe ich kurz hintereinander zwei Situationen erlebt, in denen Warum-Fragen eine wichtige Rolle spielten. In der ersten stellte ein Kind der Mutter ununterbrochen Fragen: „Warum kann das Auto fahren? Warum gehen wir jetzt einkaufen? Warum hast du das blaue Kleid an? Warum …? Warum …? Warum …?“

Die Mutter war leicht genervt, aber bemühte sich, sich immer wieder etwas einfallen zu lassen, um auf die Fragen ihrer Tochter zu antworten. Und das ist gut so. Die häufig wiederholten Warum-Fragen können nerven. Doch das Fragen der Kinder ist kostbar. Es ist Ausdruck der Neugier und ihres Bemühens, die Welt zu verstehen. Wir dürfen durchaus einmal sagen: „Ich kann jetzt nicht mehr antworten, ich bin zu müde.“ Oder: „Ich beantworte das später.“ Oder wir dürfen einen anderen Ausweg aus der fortwährenden Fragestunde suchen. Doch grundsätzlich sollten wir Erwachsene die Fragen der Kinder auf keinen Fall abblocken, sondern uns, so gut wie es gerade geht, darum bemühen, ihnen Antworten zu geben. Werden diese Fragen abgeblockt, ziehen Kinder sich zurück und können ihre Neugier verlieren. Das kann sogar ihr Selbstwertgefühl schädigen, weil sie meinen, es nicht wert zu sein, dass ihre Fragen beantwortet werden.

Eine andere Situation. Ein Vater kauft mit seinem Kind ein Eis in der Eisdiele. Das Kind freut sich und greift nach der Eiswaffel, ist aber etwas ungeschickt und lässt sie fallen. Der Vater ist verärgert und sagt: „Warum machst du das? Warum fasst du die Waffel nicht gleich richtig an?“ Solche Fragen sollte der Vater und sollten wir Erwachsene unterlassen. Egal, ob im Alltag, in der Schule oder in der Kita. Das Kind war ungeschickt. Es hat einen Fehler gemacht oder aus irgendwelchen anderen Gründen ist ihm ein Missgeschick passiert. Das Kind kann diese Fragen nicht beantworten. Es weiß nicht, warum es nicht richtig zugegriffen hat. In der Situation begann das Kind, bitterlich zu weinen. Auf solche Fragen findet das Kind nicht nur keine Antworten, auch hier kann das Selbstwertgefühl geschädigt werden. Diese Warum-Fragen von Erwachsenen sagen letzten Endes: Du machst es falsch! Du bist falsch! Also mein Rat, meine Bitte an alle: Unterlassen Sie diese Warum-Fragen.

Udo Baer