Alicia ist 13 Jahre alt und ritzt sich seit kurzem. Sie wird immer dünner. Die Eltern haben Angst, dass sie magersüchtig wird, sind erschrocken. Sie haben doch nichts falsch gemacht, meinen sie. Sie kümmern sich doch sehr um Alicia, und das stimmt.
Manchmal „rutschen“ Kinder, v.a. Mädchen in eine vorpubertäre Essstörung. Manchmal kann diese auch Ausdruck von emotionalen Schwierigkeiten sein. Alicias Eltern zum Beispiel versuchen, sie vor allem zu beschützen. Doch diese Haltung beinhaltet auch, dass sie nicht genug hinhören und nicht genug hinspüren, was Alicia bewegt. Die Sorge und die Angst um Alicia wirken wie eine Schutzhülle, unter der eine Leere in der Gefühls-Beziehung entsteht. Diese Leere kann sich auch entwickeln, wenn Eltern sich gar nicht kümmern und ihre Kinder übersehen und ignorieren. Hier ist es das Gegenteil, die Tendenz zur Überversorgung. Dabei geht es nicht darum, Fürsorge zu diskriminieren. Fürsorge ist wunderbar. Für andere Menschen, für Kinder zu sorgen, ist großartig. Es geht darum, dass dabei den Kindern auch die Verantwortung übergeben wird, selbst eigene Erfahrungen zu machen, und diese in die Beziehungen zu den Eltern einzubringen. Wer nicht hinfallen darf, lernt auch nicht aufzustehen. Es ist wichtig, dass mehr aufeinander gehört wird, dass gespürt wird, was die anderen bewegt, dass Gefühle ausgetauscht werden, aber auch Gedanken, Ideen, Wünsche und ähnliches mehr. Die Fragen helfen: „Wie geht es dir?“, „Wie fühlst du dich?“, „Was hast du für ein Gefühl dabei?“ Und die Heranwachsenden werden darin unterstützt, ihre Gefühle wahrzunehmen und mitzuteilen, wenn sie mit Erwachsenen zu tun haben, die ihre Gefühle nicht verbergen, sondern zeigen.