Unser Sohn zeigt viel weniger seine Gefühle als unsere Tochter. Wir verstehen ja, dass er oft „cool“ sein will, aber manchmal macht uns das Sorgen. Sollten wir etwas tun?
Kinder brauchen Vorbilder, auch beim Zeigen ihrer Gefühle. Und da unterscheiden sich die Vorbilder für Jungen und Mädchen in unserer Gesellschaft. Sie haben Recht: Jungen tendieren eher dazu, „cool“ sein zu wollen. Und doch haben sie genauso intensive Gefühle wie Mädchen und brauchen es, sie zu teilen.
Nur wenn Eltern, Großeltern, Erzieher*innen, Lehrer*innen ihre Gefühle zeigen, können Kinder sich daran orientieren. Bei Jungs gilt das vor allem für Väter und andere männliche Vorbilder. Wie soll ein Kind zeigen und mitteilen, dass es Angst hat, wenn die Erwachsenen um es herum scheinbar nie Angst haben? Wie soll ein Kind lernen, zu trauern und in der Trauer Trost und Unterstützung zu suchen, wenn die Trauer bei den Erwachsenen ein Tabu ist?
Kinder brauchen Vorbilder in vieler Hinsicht, auch darin, wie Menschen mit Gefühlen umgehen können. Manche Eltern erzählen, dass ihre Kinder erschrecken, wenn die Mama traurig ist oder der Papa zeigt, dass auch er Angst hat. Kinder brauchen ihre Eltern, gerade wenn die Kinder klein sind, als Halt, an dem sie sich nicht nur orientieren, sondern auch festhalten können. Wenn Kinder in diesem Gehalten-Werden unsicher sind, können sie erschrecken, wenn die Eltern Schwäche zeigen, und als solche werden Gefühle wie Trauer und Angst oft verstanden. Hier hilft das große UND. Wenn Sie, egal in welcher Rolle Sie mit einem Kind zu tun haben, ein Gefühl zeigen, das das Kind verunsichern könnte, dann sagen Sie zum Beispiel: „Ich bin traurig, dass wir hier wegziehen, und das ist auch richtig so, weil wir etwas verlieren. UND wir werden das hinbekommen. Wir werden uns in der neuen Stadt neue Freunde suchen und sie finden. Und wir werden die alten Freunde besuchen.“ Oder: „Ja. Ich habe auch Angst, dass der Opa stirbt, UND ich bin zuversichtlich, dass er wieder gesund wird. In jedem Fall bleiben du und ich zusammen.“
Versuchen Sie also, Ihre Gefühle zu zeigen, auch wenn diese Kindern Sorgen machen könnten, UND betonen Sie gleichzeitig, dass Sie zusammen sind und zusammenbleiben und dass Sie Sicherheit und Halt geben können und wollen. So sind Sie in vielfacher Hinsicht Vorbild und ermutigen Ihr Kind.
Das gilt auch für Kindergarten, Kita und Schule. Wenn dort Erziehende gefragt werden, wie es ihnen geht, und sie immer nur „gut!“ antworten, und die Erwachsenen immer „gleich“ drauf sind, dann können Kinder nicht von ihnen lernen, wie sie mit Gefühlen umgehen sollten. Auch als erwachsene Erziehungsperson oder Lehrer*in können Sie mal schlecht drauf, traurig sein, sich ärgern oder Sorgen machen … Wichtig ist, dass Sie immer wieder dazu sagen, wen oder welchen Umstand das betrifft. Zum Beispiel: „Ich bin sauer, weil …“ Oder aber sagen: „Ja, ich bin traurig. Aber das hat nichts mit dir zu tun.“ So wissen Kinder die emotionale Situation einzuordnen und lernen an dem Vorbild gleichzeitig Möglichkeiten, wie sie selbst mit ihren Gefühlen umgehen.