Das Wunder der Kinderliebe

Mein 13jähriger Sohn hat mir früher oft gesagt oder gezeigt, dass er mich lieb hat. Jetzt nicht mehr. Ich sag ihm das oft. Habe ich etwas falsch gemacht?

Nein, das haben Sie nicht. Und dass Ihr Sohn seine Liebe nicht äußert, hat vor allem mit seinem Alter zu tun, vermute ich.

Kinder lieben. Immer. Damit die Liebe erstirbt, muss schon Unsägliches geschehen. Die Liebe der Kinder ist nachhaltig, dauerhaft, tiefgründig. Ich habe Kinder begleitet, die schwerste Entwürdigungen von Eltern erfahren haben – und sie liebten sie immer noch und immer weiter. Auch im Alltag ist die Liebe oft vorhanden, auch wenn sie von den Kindern nicht gezeigt oder in Worten ausgedrückt werden kann. Kleine Kinder kuscheln und zeigen ihre Liebe in Berührungen und im Verhalten. Wenn sie größer sind, sehen wir die Liebe im Blick oder hören sie in der Stimme. Wenn ein Kind den Eltern oder einem Elternteil ein Bild schenkt oder zum Geburtstag das Frühstück bereitet, ist auch dies Ausdruck von Liebe. Wenn die Kinder noch älter werden, also spätestens in der Pubertät, wird es für sie peinlich, den Eltern gegenüber Liebe auszudrücken. Sie orientieren sich auf andere Menschen hin, sind nicht mehr Kind, aber auch noch nicht erwachsen, hängen irgendwo „dazwischen“. Die Schamgefühle sortieren sich neu. Das gesamte Gefühlsleben kommt in Unordnung und diese Unordnung können und möchten die meisten Kinder nicht zeigen, also verstummen sie auch oft gegenüber ihren Eltern in liebevollen Äußerungen. Wie bei Ihrem Sohn. Er und andere Kinder seiner Altersgruppe lösen sich aus der engen Bindung zu den Eltern ab, um Kraft und Möglichkeiten für neue Bindungen zu haben und dieser Übergangsprozess ist oft schwierig, verworren, belastend für alle Beteiligten.

Doch ich habe in diesen Prozessen immer wieder die Beobachtung gemacht, dass Kinder weiterhin ihre Eltern lieben, auch wenn sie das nicht zeigen können. Sie verteidigen gegen die Eltern, gegen abfällige Bemerkungen anderer oder gar Angriffe anderer Kinder oder Erwachsener. Wenn die Aufmerksamkeit sich Idolen oder Gleichaltrigen zuwendet und für die Eltern nicht mehr so viel übrig bleibt, ist bei fast allen Kindern die stetige Liebe vorhanden.

Eltern sollten dies wissen. Sie brauchen auch bei pubertierenden Jugendlichen nicht um die Liebe zu kämpfen, wenn sie doch schon vorhanden ist. Da hilft Gelassenheit und vielleicht die Erinnerung, wie es Ihnen selbst ging, als Sie in der Pubertät bzw. Jugendliche waren.